Ellbogendysplasie
Elle (links) und Speiche (rechts) mit schwerer Arthrose (ED Grad III)
Die Ellbogendysplasie (ED) ist ein chronisch verlaufender Krankheitskomplex des Ellbogengelenks schnell- und grosswüchsiger Hunderassen. Sie beginnt in der späten Wachstumsphase bei vier bis acht Monate alten Jungtieren mit einer schmerzhaften Veränderung des Gelenks und der gelenkbildenden Knochenteile (Osteoarthrose) mit Lahmheit im Bereich der Vordergliedmaße. Der Bewegungsumfang des Ellbogengelenks ist eingeschränkt.
Frühzeichen sind Steifigkeit am Morgen oder nach Ruhepausen. Der Hund bewegt sich nur, wenn es sein muss, und auch die Gliedmassen können Fehlstellungen aufweisen.
Die Krankheit schreitet lebenslang fort und ist nicht heilbar, eine weitgehende Schmerzfreiheit kann aber in vielen Fällen erreicht werden.
Mögliche Ursachen für ED
- Eine starke Überbelastung in der Wachstumsphase, lange anstrengende Spaziergänge, Fahrradfahren oder übermässiges Treppensteigen.
- Zu reichliche Fütterung, hochwertiges Welpenfutter oder Zufügen von extra Vitaminpräparaten an ausgewogenes Futter, das bewirkt eine Störung des Calcium/Phosphor-Verhältnisses.
- Erbliche Veranlagungen, obwohl sich bei diesem Punkt die Geister scheiden, dann man weiss noch nicht, welche Faktoren erblich sind.
- Unfälle, schwere Stürze, Verstauchungen, Brüche und Tumore können ebenfalls ED verursachen.
Manifestationen
Eine Ellbogendysplasie entsteht, wenn die gelenkbildenden Knochenteile Oberarmknochen, Elle und Speiche nicht exakt genug zueinander passen. Dies führt zu chronischen Umbauvorgängen am Ellbogengelenk und den gelenkbildenden Knochenteilen, die zur Ausbildung von Knochenauswüchsen führen. Dieser Zustand kann sich normalisieren, wenn der Defekt aber beim bereits erwachsenen Tier festgestellt wird, muss er behandelt werden.
1 Stufenbildung zwischen Elle und Speiche
2 Ablösung des selbstständigen Ellenbogenfortsatzes der Elle (IPA)
3 Ablösung/Bruch des innen liegenden Kronfortsatzes der Elle (FCP)
4 Knorpelablösung am innen liegenden Rollhöcker des Oberarmknochens (OCD)
Darüber hinaus können weitere ED-Erkrankungsbilder auftreten:
Ablösung/Bruch des innen liegenden Kronfortsatzes der Elle
Fragmentierung des Processus coronoideus medialis ulnae (FCP)
Wenn der Kronfortsatz während der Wachstumsphase nicht richtig verknöchert, ist er instabil, kann abbröckeln und dann lose im Gelenk liegen bleiben. Diese abgelösten Stücke verursachen dann einen Verschleiss (Arthrose) im Gelenk.
Klinisch äußert sich eine FCP als Lahmheit, die vor allem nach längerer Ruhe oder stärkerer Belastung auftritt. Der Ellenbogen wird zur Seite ausgestellt. Die Erkrankung tritt frühestens im Alter von fünf bis sieben Monaten auf.
Rechtes Ellbogengelenk eines Hundes mit FCP und Osteoarthrose.
gelber Pfeil: Stufe zwischen den gelenkbildenden Anteilen von Elle und Speiche
roter Pfeil: fehlende vordere Kontur des Kronfortsatzes (typisch für einen FCP)
weißer Pfeil: Knochenverdichtung der Elle (typisch für eine Osteoarthrose
Ablösung des selbstständigen Ellenbogenfortsatzes der Elle
Isolierter Processus anconaeus (IPA)
Der Ellenbogenfortsatz ist mit Knorpel am Knochen verbunden und somit an dieser Stelle gegen mechanische Einwirkung geschwächt ist. Ein abgelöster/abgerissener Ellenbogenfortsatz muss operativ entfernt werden. Eine Verbesserung des Zustandes zeigt sich relativ schnell, wenn der Verschleiss (Arthrose) noch nicht zu fortgeschritten ist.
Im Alter von 18 bis 24 Wochen verschmilzt der Ellenbogenfortsatz mit der Elle. In dieser Zeit besteht aufgrund einer verminderten Elastizität die Gefahr eines Abrisses oder das Ausbleiben des Fugenschlusses. Als weitere Ursache wird ein vermindertes Längenwachstum der Elle (sog. short-ulna-syndrome) vermutet. Auch eine Überversorgung mit Calcium und Phosphor begünstigt das Auftreten eines IPA.
Rechtes Ellbogengelenk mit IPA (roter Pfeil) sowie Knochenverdichtungen und -auswüchsen (weiße Pfeile)
Knorpelablösung am innen liegenden Rollhöcker des Oberarmknochens
Osteochondrosis dissecans humeri
Der Knorpel kann sich von der Unterschicht des Gelenks teilweise oder auch ganz ablösen und lose im Gelenk liegen bleiben. Der darunter liegende Knorpel verwächst sich jedoch nicht mit dem abgerissenen Stück. Er füllt auch das entstandene Loch nicht wieder auf und im Gelenk entsteht ein Verschleiss (Arthrose).
Die Erkrankung entsteht zumeist im Alter von 5 Monaten und in der Regel beidseitig. Eine Operation (Abkratzen der Knorpelschicht) ist notwendig, garantiert aber keine hundertprozentige Heilung.
Das Fatale bei der Ellbogendysplasie ist, dass die oben aufgeführten Erkrankungen/Komplikationen und deren Folgen, sowohl einzeln als auch kombiniert auftreten können.
Schweregrade
Man unterscheidet 4 Schweregrade von ED
0/A: | Normal | keine Knochenverdichtungen und -auswüchse
I/B: | Milde Arthrose | Knochenauswüchse kleiner als 2 mm oder Knochenverdichtungen der Gelenkfläche der Elle
II/C: | Moderate Arthrose | Knochenauswüchse zwischen 2 und 5 mm groß
III/D: | Schwere Arthrose | Knochenauswüchse größer als 5 mm
Behandlung
Losgelöste Skelett- (FCP und IPA) bzw. Knorpelteile (OCD) sollten chirurgisch entfernt werden, da sie einen ständigen Reiz auf die Gelenkkapsel ausüben. Diese Entfernung sollte möglichst früh erfolgen, also bevor sich eine Arthrose entwickelt.
Ein IPA kann auch mittels Osteosynthese wieder fixiert werden. Anschließend sollte das Tier zwei bis vier Wochen möglichst gar nicht bewegt werden (Leinenzwang, Boxenruhe) und ihm anschließend für die gleiche Zeit nur wenig Bewegungsspielraum eingeräumt werden. Besteht zusätzlich eine ungenaue Passform (Inkongruenz) im Gelenk, ist die chirurgische Entfernung der losgelösten Fragmente allein nicht ausreichend und in den meisten Fällen wird ein chirurgisches Durchtrennen (Osteotomie) der Elle durchgeführt.
Alle operativen Maßnahmen verhindern jedoch häufig nicht das Fortschreiten der Arthrose. Eine Nutzung als Begleithund ist zwar möglich, von stärkerer Arbeit wie bei Gebrauchshunden wird aber abgeraten.
Unterstützend ist eine schmerz- und entzündungshemmende Therapie sinnvoll. Hier werden zumeist nichtsteroidale Antiphlogistika eingesetzt.
Eine Gewichtsreduktion ist bei übergewichtigen Tieren unbedingt zu empfehlen.
Die tägliche Verabreichung von Gelatine als Granulat ins Futter soll eine Arthrose verhindern oder zumindest hinauszögern können.
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Quellen / Literatur
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